Gegen die Freiräume in euren Köpfen. Reclaim your Brain!

18. April 2012

Nur weil man zu etwas tanzen kann, ist es noch lange keine Revolution. Frei nach Emma Goldman stellt sich demnach die Frage, warum eine öffentliche Tanzveranstaltung unter dem Titel „Reclaim the Streets“ großspurig die „Rückeroberung der Straße“ einfordert.

Der kurze Aufruf bietet wenig Inhalt, dafür aber Kampfbegriffe wie „Freiräume“, „Antifaschismus“, zuletzt gar das Ziel eines selbstbestimmten Lebens. Wie dies mittels „lauter Musik, buntem Auftreten und ekstatischem Tanz“ erreicht werden soll, wird dabei nicht weiter ausgeführt. Die politischen Ziele der Aufrufenden erweisen sich dabei jedoch als leere Floskeln zur Beruhigung des linken Gewissens. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den gesetzten Themen findet nicht statt. Vielmehr äußert sich ein wutbürgerliches Unbehagen wenn der verselbstständigte „motorisierte Individualverkehr […] den Einwohner_Innen Lebensqualität und Freiräume“ vermeintlich weg nähme. Der Schluss daraus bedeutet: Weniger Verkehr gleich mehr „Freiraum“, welcher romantisierend zurückerobert wird, ergo in naher oder ferner Vergangenheit einmal bestand. Wünschen sich die Aufrufenden also eine Zeit zurück, in welcher nur jede/r Zweite wahlweise Trabant oder Wartburg fuhr und die Straßen demnach relativ leer waren. Kuschelige DDR Zeit? Dieser ominöse Freiraum, als freier Raum auf der Straße, welcher „künstlerisch-kreativ“ genutzt werden will, ist bei genauerer Betrachtung nichts anderes als das infantile Begehren nach einer Spielstraße für die aktionistischen Weltverbesserer. Dort könnte dann auch „zu einem regelmäßigen Zeitpunkt in der Woche“ eine demokratische Diskussion geführt, oder auch wahlweise mit Kreide gemalt werden. Dies zeigt recht deutlich, dass dem Aufruf jegliches kritische Potenzial vollkommen abgeht. Die Komplexität städtischer Entwicklungen unterm Diktat des sich selbst verwertenden Werts wird völlig übergangen. Als ob innerhalb kapitalistischer Sachzwänge ein selbstbestimmtes Leben überhaupt möglich und die Forderung nach Kreativität im bestehenden Rahmen nicht längst soft-skill in einer immer größer werdenden ‚Kreativbranche‘ wäre.

Der Versuch an aktuelle städtische Diskurse anzuknüpfen gelingt ebenso wenig. Den gerade in Sachsen gescholtenen (bundesweit gesehen jedoch schon seit Jahren mehrheitsfähigen) Antifaschismus gälte es zu stärken. Ein Auftreten gegen menschenverachtende Ideologien und daraus resultierende Praxen ist zwar ein durchaus sinnvolles Ziel. Ein tanzender Mob wird jedoch weder etwas an Alltagsrassismus, nationalsozialistischen Untergrundorganisationen, der NPD im sächsischen Landtag oder antisemitischen Gedichten von ehemaligen SSlern in der Zeitung ändern. Die gewählte Route durch das ‚Szeneviertel‘ Neustadt verdeutlicht dabei, dass dies auch nicht das Anliegen sein kann. Immerhin wird darauf Wert gelegt, dass innerhalb der Veranstaltung Übergriffe nicht geduldet und möglichst ausgeschlossen werden sollen.

Bleibt zuletzt noch das Argument, dass dieses ganze Spektakel ein kurzzeitiges hedonistisches Tanzvergnügen sein könnte. Im Rahmen dieser pseudo-politischen Agitationsveranstaltung mit der zu erwartenden Parteiwerbung ist jedoch selbst dies von der Hand zu weisen. Der mögliche Verweis auf ein kurzzeitiges Ausbrechen aus dem Zwang der Verwertung durch unbekümmerten Tanz und Ekstase greift zu kurz.

Die etwaige Flucht in den wummernden Beat der Musik kann nur ein minimales Entkommen aus dem Gefühl des Eingesperrtseins in der verwalteten Welt simulieren. Wenn die Musik wieder verstummt und der tanzende Mob sich entwirrt ist der oder die Einzelne wieder der oder die Vereinzelte. Oder um es in den Worten von Marx zu sagen: Erniedrigt, geknechtet, verlassen und verächtlich.

Anders als bei der wochenendlichen Dauerparty die nur mittels chemischer Hilfestellung zu bewerkstelligen und bei der die Bezeichnung des „Fun als Stahlbad“ von Horkheimer und Adorno durchaus zutreffend ist, verhält es sich bei der zeitlich begrenzten „Nachttanzdemo“ eher so, das politische Inhalte vorgeschoben werden um den Teilnehmenden eine Gesellschaftskritik zu verkaufen, welche nicht mehr als ein irrationales Aufbegehren ist.

Die Anwesenden Freunde und Helferinnen von Polizei und Ordnungsamt, welche die Kontrolle des Lautstärkepegels sicherlich peinlich genau ins Auge nehmen werden, zeigen dabei die Präsenz der Welt außerhalb des vermeintlich temporären Freiraums ebenso auf. Der Vorwurf, dass das Konzept RTS in dieser Ausführung seinem eigentlichen Ursprung beraubt wurde, kam dabei aus anarchistischer Perspektive ebenfalls auf. (Kommentar zur geplanten Nachttanzdemo der Linksjugend. Die Partei diktiert: Seid frei!)

Eine Debatte über die Aktualität und Notwendigkeit von Antifaschismus oder Ausschlussmechanismen einer kapitalistischen Städteplanung wäre sicherlich spannend. Die Tatsache allerdings, dass ein inhaltsloser Aktionismus reicht um politische Menschen auf die Straße zu locken, ist Anhaltspunkt dafür, dass man im ‚Tal der Ahnungslosen‘ schon froh ist, wenn überhaupt mal irgend etwas passiert, was nach Bewegung klingt.

28 Antworten to “Gegen die Freiräume in euren Köpfen. Reclaim your Brain!”

  1. Moritz said

    Ich finde deine Meinung sehr interessant und auf ihre Art auch richtig.

    Doch ich glaube wir sind uns durchweg ALLE BEWUSST, dass für Freiräume (in welcher Form auch immer) vorallem andersweitig gekämpft werden muss!!!

    Die „Zurückeroberung der Straße“ ist in dieser Form ein rein symbolischer Akt. Um wirklich Einfluss auf die herrschenden Verhältnisse zu nehmen, muss wo vollkommen anders angesetzt werden.

    Demonstrationen können nie ein Problem direkt lösen. Doch sind sie meiner Meinung nach nicht falsch. Sie bringen ein Thema in die Öffentliche Diskussion und machen vor allem Mut (!) sich für etwas einzusetzen.
    Ich hätte schon oft die Hoffnung verloren, wäre ich nicht auf Demos gewesen, wo ich ganz viele nette und gleichgesinnte Menschen getroffen habe – wo die geballte Energie und das unheimliche Potential zur Veränderung einfach spürbar war.

    Vorallem ist die Nachttanzdemo – wie du schon gesagt hast – ein kurzzeitiges hedonistisches Tanzvergnügen. Und ich finde nicht, dass dieses Argument, wie du es schreibst „zu kurz greift“.

    Es ist ein bunte Party. Ich gehe Morgen nicht mit dem Motiv oder der Erwartung auf die Demo um durch mein Tanzen die Welt zu bewegen, sondern einfach nur Spaß zu haben.
    Du kannst es gerne „infantiles Verlangen“ nennen – und das mag es vielleicht sein, vielleicht bin ich noch nicht so reif wie du – aber ich finde dass aus keinem Grund verwerflich.

    Statt deine Energie zu verwenden dieses Projekt so ausführlich zu kritisieren, könntest du sie doch auch Nutzen um parallel zu unserer Form des Protestes, andere, direktere Wege zu finden und publik zu machen. Sicher existiert dazu ein (Informations)bedürfnis in den Reihen der Teilnehmenden auf der Nachttanzdemo!

    Und es wäre sehr viel konstruktiver von dir!

  2. margarete said

    „Der mögliche Verweis auf ein kurzzeitiges Ausbrechen aus dem Zwang der Verwertung durch unbekümmerten Tanz und Ekstase greift zu kurz.“

    Ich möchte hier, nur am Rande, noch anfügen, dass das Bedürfnis kurzfristig auszubrechen durchaus ein volkstaugliches ist und üblicherweise institutionalisiert an Fastnacht befriedigt wird.

  3. hobo said

    Sollte nur alles ein wenig konstruktiver gestaltet werden. Sein angelesenes Bücherwissen mit dümmlicher Polemik zu verbreiten, in der Hoffnung, daß sofort alle verstehen was gemeint ist, wird so leider nicht funktionieren.

  4. Dadamarxist said

    „Die Komplexität städtischer Entwicklungen unterm Diktat des sich selbst verwertenden Werts wird völlig übergangen.“

    Jeder Text und jede Aktion, die diese Komplexität übergeht, hat ihre Existenz wahrlich nicht verdient. Auch deinem Text fehlen wesentliche Elemente der reinen Lehre. Ich empfehle dir daher, ihn zu löschen.

  5. ich bin mir mit dir (moritz) eben nicht einig, dass um ‚freiräume‘ gekämpft werden muss. diese wären erst einmal zu definieren. das, was im volksmund unter freiraum verstanden wird, reicht von wagenplatz bis spielstraße.
    des weiteren hatte ich auf den meisten demos die ich besucht habe eher das gefühl in einem geballten mob unter zu gehen, der für jeden scheiß nur nicht für eine emanzipation zu gebrauchen ist. über gefühle werd ich mich jetzt aber auch nicht mit dir auseinandersetzen wollen.

    das kurzzeitige ausbrechen, des vergnügen willens will ich dabei nicht per se verurteilen. es ist aber eben nicht politisch.

    bei all dem geht es mir auch nicht um ‚konstruktivität‘. kritik muss nicht ‚konstruktiv‘ sein und sie will ihren gegenstand auch nicht zwangsläufig die existenz entziehen (@dadamarxist).

  6. schwertfisch said

    Zur Kritik der Kritik willen wegen wurde hier auf dem Blog schon vieles, auch inhaltsleeres, frei nach der adorn’schen destruktiven Kritik, geäußert. Allerdings möchte ich den/die Autor_in darauf hinweisen das eine Kritik, so sie auch ernst genommen werden will immer eine Option der Verbesserung, des Aufzeigens von anderen herangehensweisen und Inhaltlicher Auseinandersetzung sein kann und in einem solidarischen Miteinander auch sein sollte. Die Blockade der Nachttanzdemo war erfolgreich durchgeführt worden. Die Möglichkeit, der Artikulation in Form eines Rederechtes der Blockierer_innen konnte wahr genommen werden. Allerdings gab es „nur“ die Verlesung des Beitrages dieses Blogs. An einigen Punkten muss man dem/der Schreiber_in die Kritik als richtig und berechtigt zu gute halten. Dennoch ist sie wie bereits erwähnt eine polemisch, destruktive Form.

    Die Kritik meinerseits zielt mehr darauf in einen Dialog (der im About des Blogs angekündigt wird) zu treten und nicht auf im Netz gelesene Palttitüden allein zu reagieren. Ein Diskurs zwischen Kritiker_innen und Veranstalter_innen wurde angeboten und sollte genutzt werden.

    Ich bin auf weitere Kritik und den Dialog gespannt.

  7. hallodri said

    „Hedonismus“ fällt ausschließlich Kids aus reichen Elternhäusern ein, die lange Jahre durchgefüttert werden und sich keine Gedanken darum machen müssen, was es bedeutet sich gesellschaftlich zu organisieren. Lenins „Einsicht in die Notwendigkeit“ ist dabei um einiges realistischer. „Individualität“ und die indiv. Befreiung ist nicht Koksen, Kotzen und Kommunismus, sondern immer ein Maß, dass sich an gesellschaftlichen Möglichkeiten orientiert (Dialektik Besonderes und Allgemeines), sowohl im Kapitalismus, als auch im Kommunismus.

  8. E-Haller said

    „antisemitischen Gedichten von ehemaligen SSlern in der Zeitung“ – da fällt aber auch jemand reflexartig auf gröbste Polemik rein – Empfehlung: http://bit.ly/HTIEwH

    [Gegenempfehlung zu KenFM: http://reflexion-blog.com/?p=1361%5D

  9. […] die Jusos Dresden, die Neustadtpiraten und dem StuRa der TU-Dresden. In ihrer schon einen Tag zuvor veröffentlichen Stellungnahme kritisierten die Blockiererinnen und Blockierer die ihrer Meinung nach fehlende inhaltliche […]

  10. E. Goldman said

    „The most violent element in society is ignorance.“ Bitte keine falschen Unterstellungen bereits im ersten Satz.

  11. donron said

    recht zutreffender text. allerdings hättest du dir den verweis auf angeblich „antisemitische“ gedichte von ex-SSlern sparen können. auch in der antifa sollte (konstruktive) kritik an israel, die mehr als berechtigt, ja unbedingt erforderlich ist, möglich sein.

  12. zombie eater said

    kommt nur nach berlin kreuzberg am 1. mai und versucht mal zu blockieren…ick freu mir schon…

  13. eine kurze anmerkungen zu dem blockade spektakel:

    die blockade ging weder von ddnazifrei, noch von ‚DER dresdner antifa‘ aus. wer den text gelesen hat, sollte ebenso verstehen, dass die kritik an der ‚rts‘ nicht jene war, dass sie zu inhaltsleer oder nicht radikal genug gewesen wäre. es geht nicht darum wer hier der/die bessere linke ist.
    aus meiner sicht war das mittel der blockade in erster linie satire und hätte nicht unbedingt die ‚demo‘ verhindern müssen. mit dem abbruch der demo wurde die chance auf die wirkung der kritik allerdings erhöht (auch wenn sie, wie man an den reaktionen sieht, scheinbar doch nicht verstanden wurde.)

    als konsequenz ist vorerst ein ganz deutlich: der erbärmliche haufen um anonymous sachsen hat sich als menschenverachtender mob selbst entlarvt (hetze gegen ‚antifa fags‘, ‚kampflesben‘ etc)

    @ schwertfisch:
    meine vorstellung von kritik ist eine andere. es geht dabei keineswegs um kritik der kritik willen. die vereinnahmung der kritik durch die demoorga ist dabei sehr erstaunlich. frei nach der postmodernen ideologie des diskurses in dem allerlei meinungen ausgetauscht werden, geht die kritik einfach unter. ‚eine kritische bereicherung der demo‘.
    von diesem standpukt aus gesehen war die blockade eine sehr sinnvolle praxis.

    im dialog stehen wir ja nun bereits und ich denke weitere kritik wird sicherlich folgen.


    zum thema grass: ihn von antisemiten und verschwörungsfreaks verteidigen lassen zu wollen ist wirklich ne super sache (@ e haller). mit ‚israelkritik‘ (die, wenn sie wirklich kritik und nicht ressentiment wäre absolut gerechtfertigt ist) hat das ganze rein gar nichts zu tun.

  14. kraut said

    als wenn es nicht genug probleme zur zeit in dresden gibt…
    jede blockade sollte sich doch mal fragen, warum sie blockiert… wurde und was damit verhindert wird.

    vll hätte man auch mal mit den veranstaltern in den diskurs treten können? bei der organisation helfen… es wird sich über zu wenig inhalte aufgeregt? ich finde die kritik genauso inhaltslos… eine Kritik die nicht konstruktiv ist… nenn ich kindisches rumnörgeln 😉

  15. retard said

    hey ihr juppies.wenigstens habt ihr erkannt was anonymous sachsen ist! … omg facepalm … euer schwachsinn hier zeigt nur auf wie klein euer weltbild ist.bis demnächst ihr juden!

    [anmerkung clg:ich lass diesen kommentar mal als hässliches beispiel zu. unterirdischer gehts echt kaum]

  16. free2012 said

    Es ist gut, wenn es noch Menschen gibt, die demonstrieren u.a.gegen den Kapitalismus. Nur so bringt man die Themen und Auswirkungen an die Oeffentlichkeit und ins Bewusstsein der Menschen mit allen Folgen und Nebdnwirkungen. Es darf nicht sein, dass Hrundrechte eingeschraenkt werden. Andernfalls ist Deutschland wieder um Jahrzehnte zurueckgeworfen.
    Tretet ein fuer Grundrechte!!!

  17. infantiler Weltverbesserer said

    „wer den text gelesen hat, sollte ebenso verstehen, dass die kritik an der ‘rts’ nicht jene war, dass sie zu inhaltsleer oder nicht radikal genug gewesen wäre. es geht nicht darum wer hier der/die bessere linke ist.“

    Die Diskussion über Sinn und Unsinn der Nachttanzdemo, die sich vor allem auf Facebook entsponnen hat zeigt, dass obiger Satz entweder unzutreffend ist oder dass sich die Menschen hinter der Blockade auch mal selbst kritisch hinterfragen sollten inwiefern viele ihrer „Teilnehmer_innen“ den Text hier überhaupt verstanden haben, bzw. ob nicht ein nicht unerheblicher Teil der Leute tatsächlich einfach nur „Bock [hatte] Stress zu machen“, wie es in dem satirischen Blockadeaufruf bei FB formuliert war.

    Insofern wäre ein weniger überheblicher Tonfall vielleicht doch angebracht gewesen.

  18. blacktears said

    also ich finds blöd wie hier diskusionen geführt werden. könnt ihr wenigstens sachlich bleiben und euch nich ankacken!?!

    im übrigen find ichs garnet gut wenn faschos ihre scheiße hier breitlabern, verpisst euch ihr kackbratzen sonst gibts lang hafer!!!

    nachttanzdemos find ich im übrigen auch voll cool, da ma doch manchmal auch einfach nur ma feiern will. Aber diese zu parteischeiß zu missbrauchen is net so fein! denn die solln ja och die villagepeoples ansprechen, die wos noch net kapiert ham, worums geht! dafür is einfach nur ma aufklärung nötich!

    so und nu schlacht eich net de köbbe ein, erhebt liber de linke faust und werd aktiv!!!

    Li Li Libertad ANARCHIA TOTAL

    Autonome grüße ausm village im ostn

  19. MJayI said

    Ich finde es doch erstaunlich wieviele Menschen sich hier angegriffen fühlen, die die Kritik als leer oder eben die NachtTanzDemo inhaltlich als eben solches empfinden. Die Menschen stehen, wenn ich das richtig verstanden habe, mittlerweile im Diskurs.
    Und natürlich wird es auf jeder Seite, sei es Demoteilnehmer_innen oder Blockierer_innen, Menschen gegeben haben, die sich nicht mit Aufruf, Kritik, etc. auseinander gesetzt haben.
    Fraglich für mich dabei ist, was nun genau überheblich woran ist.
    Anonymous hat definitiv den Vogel abgeschossen. Faszinierend, was eine geballte Unwissenheit meint zu wissen und danach handelt.
    Die Aktion war gut, berechtigt. Meiner Meinung nach zu hart durchgezogen, aber nun ja, die Blockierenden blieben, die Demonstrierenden auch. Auch ohne Lautis. Gemeinsam tanzen ist mensch dann durchaus gegangen, von daher. Keine neue Lagerspaltung, Beginn einer Auseinandersetzung mit Kritik, etc.
    Fazit, ich fand’s durchaus positiv.
    Vielleicht auf ein Neues, wer weiß, was kommt.

    Nebenbei, ich mag den Blog an sich, die anderen Texte, nur weiß ich noch nicht, was ich davon halten möchte. Aber nun ja, wäre ja auch zu einfach.

  20. […] Freiräume für selbstbestimmtes Leben und Kreativität zu schaffen. Parallel kursierte im Netz ein Kritiktext, welcher die Inhaltsarmut des Aufrufs aufs Korn nahm sowie die gewählte Praxis als Farce […]

  21. Gruppe Raddix Dresden said

    Statement der Gruppe Raddix zur Auseinandersetzung um die Nachttanzdemo der Linksjugend in Dresden

    Kritk des Aufrufs:

    In dem von der Linksjugend in Dresden angebotenen Aufruf finden sich einige politische Schlagwörter die Inhaltliche Auseinandersetzung versprechen. Es wird erst einmal eine Form von Antifaschismus proklamiert. Doch durch die Art und Weise entsteht lediglich der Eindruck, dass er nur als ein „Label“ vorgeschoben wird. Der Aufruf bleibt bei dem Punkt „Nazis gleich doof!“ stehen. Weder geht der Text auf eine Analyse des zweifellos vorhandenen Naziproblems in Dresden, noch auf dessen evtl. Ursachen ein. Das Proklamieren von Antifaschismus, anlasslos und wirkungslos, dient maximal als antifaschistische Selbstbestätigung und hat keine praktischen Effekte. Auch die gewählte Aktionsform bietet keine praktische Handlungsoption gegen Faschismus. Die Auseinandersetzung an Brennpunkten des Rassismus in Dresden fehlt in Gänze. Der Aufruf zur Nachttanzdemo ist lediglich eine Meinungsäußerung und die Aktionsform hängt den Zielen und Wünschen hinterher. Die Tatsache, dass mit „Reclaim the Streets“ eine vollkommen andere Aktionsform als Motto genutzt wurde, halten wir für ungünstig gewählt, betrachten es aber als positiv, dass zumindest ein Versuch gestartet wurde, auf diesem Themenfeld in Dresden wieder aktiv tätig zu werden. Die Form einer Nachttanzdemo durch das Szeneviertel Neustadt schwächt den Grad der Meinungsäußerung ab und erscheint somit als Lockmittel und Werbefläche.
    Die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung und die mangelnde Reflexion der Wirkung der gewählten Aktionsform, bestimmen den Aufruf im Ganzen. So wird sich zwar für ein selbstbestimmtes Leben und Freiräume stark gemacht, ohne sich jedoch zu vergegenwärtigen, was diese Begriffe eigentlich bedeuten. Versteht die Linksjugend unter einem kulturellen Freiraum etwa eine Straße, auf der einmal pro Woche zwischen 16 und 18 Uhr keine Autos fahren? Sicherlich würde das einen (Auto-)“freien“ Raum schaffen, aber wie sollte dieser genutzt werden? Einen Raum zu leeren, macht ihn noch lange nicht zu einem Freiraum. Ihn mit tanzenden Leuten zu füllen ebenso wenig. Freiräume sind mehr als temporäre Zonen in denen Mensch halbherzig Parolen schreit und seinen Unmut kundtut. Man muss allerdings auch eingestehen, dass es eine Vielzahl von Freiraumdefinitionen gibt.

    Die Form einer Nachttanzdemo erlaubt nur eine geringe politische Ausfüllung auch bei radikalen Akteur_innen. Angesichts der politischen Situation in Dresden sind solche niedrig-schwelligen Angebote allerdings eine gute Grundlage für Diskurs und Vernetzung. Wird auf diese verzichtet, weil ein Aufruf nicht der inhaltlichen Charakteristika einer politischen Streitschrift entspricht, so sollte wenigstens darauf geachtet werden, adäquate Mittel anzubieten.
    Den Versuch der Ausfüllung mit politischem Inhalt fand durch Personen und Gruppen statt, die sich inhaltlich beteiligten. Allerdings griff dieser Versuch ins Leere, da die Blockade partizpative Diskussionen und Redebeiträge auf der Nachttanzdemo verhinderte, bevor diese zu ihrer vollen Größe angewachsen war.

    Unsere Rolle in der Demo

    Politisches Handeln und Leben kann sich auf verschiedenen Ebenen abspielen. Eine – aber nicht die einzige! – ist der Versuch Ideen und Vorstellungen, die uns prägen, aktiv in die Gesellschaft zu tragen. Dabei kann es passieren, dass diese Ideen und Vorstellungen, an Schärfe, an Radikalität verlieren. Oft verpuffen sie in kleinen Schritten, auch in Reformen. Wir sind trotzdem der Meinung, dass wir auch unter diesen Umständen versuchen sollten, zu intervenieren, solange wir die Kraft dafür haben. Denn wir wissen nicht, wann aus einem kleinen Schritt ein großer werden kann. Unter diesem zielorientierten Aspekt, halten wir es für richtig und wichtig, dass linksradikale Gruppierungen mit parteinahen Organisationen, Vereinen und Stiftungen zumindest punktuell zusammenarbeiten. Diese punktuelle Zusammenarbeit erfordert einen gewissen Grad an Verständnis und auch Akzeptanz der unterschiedlichen Meinungen, Positionen und Aktionsformen. Dieses Verständnis und diese Akzeptanz können wir nicht immer aufbringen und sie MÜSSEN auch ihre Grenzen haben.
    Für uns wurden diese Grenzen bei der Nachttanzdemo nicht überschritten. Dies erklärt auch, dass wir trotz aller Kritik am Aufruf, partiell mit den Organisator_innen zusammengearbeitet haben. Wir wollten den von der Linksjugend und der linken Hochschulgruppe „geleerten“ Raum nutzen und ihn mit inhaltlicher Kritik und einer Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft, unserem Umfeld füllen. Dabei ist es uns wichtig auf die Gesamtheit und Verwobenheit aller einzelnen politischen Teilgebiete hinzuweisen. Man kann zum Beispiel Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie nicht ohne eine Kritik an den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen betrachten.

    Aus diesen Gründen haben wir uns an der Demo beteiligt, den Aufruf aber nicht unterzeichnet.

    Kritik der Blockadeaktion

    Blockaden sind legitim. Sie sind eine Form der Meinungsäußerung. Jedoch halten wir eine (Sitz-)Blockade für ein aktivistisches Veto. Das heißt, sie ist, genau wie das Veto, äußerstes Mittel. Wir wollen den Menschen, die heute die Nachttanzdemo blockiert haben, nicht ihr Recht auf ein Veto absprechen. Jedoch fragen wir uns, was sie dazu bewegt hat, dieses äußerste Mittel einzusetzen. Unserer Meinung nach wären Zwischenschritte, wie eine direkte persönlich geführte Diskussion möglich und sogar notwendig gewesen. Eine direkte inhaltliche Auseinandersetzung wurde im Vorfeld unseres Wissens nicht gesucht, konstruktive Kritik blieb aus. Stattdessen wurde sich in populisitischer Art und Weise in Szene gesetzt. Der Blogeintrag von contrelagravitation.wordpress.com, als Stellungnahme der Blockierer_innen gewählt und über die Anlage der Linksjugend vorgetragen, gibt auch keinen Aufschluss über Motivationsgründe dieses starken Vetos. Sicherlich wurden einige Kritikpunkte genannt, auf deren Grundlage eine Unterstützung für die Demo versagt werden kann und diese sind auch von uns in einigen Aspekten teilbar. Aber zwischen nicht untersützen und verhindern liegt ein langer Weg. Bei der Beantwortung der Frage nach der Motivation der Blockadeaktion bleiben uns nur Mutmaßungen:

    Anzunehmen wäre, das den Blockierern mehr die eigene Reputation innerhalb der Szene Bedeutung hatte, als linke Intervention in der Gesellschaft, vor allem da die erste Nachttanzdemo, die als Vorbild und als ein Gegenbild herhalten musste, von derselben Person angemeldet wurde, wie die kritisierte Demo am 19.04.2012. Inhaltlich war auch diese nur wenig stärker aufgestellt als die Kritisierte. Daher drängt sich uns der Eindruck auf, dass die Aktion auch als eine identitäre Abgrenzung einer vermeintlich radikalen Linken gegen linksliberale Kreise zu verstehen ist, einem Reviermarkierungsprinzip nicht unähnlich. Wir verstehen aber, dass eine Verwässerung der Begrifflichkeit von Reclaim the streets im Aufruf der Nachttanzdemo enthalten ist und der Aufruf an sich sehr schwach war.

    Die Haltung der Blockierer_innen, das Beharren auf die Durchsetzung der Blockade bis zum Abbruch nach bereits vorgetragener Kritik, einem Beteiligungsangebot sowie einem Diskursangebot ist für uns nicht nachvollziehbar. Damit haben sich die Personen in eine nicht umkehrbare bzw. abbrechbare Situation begeben. Sie haben auch den Unwillen auf Partizipation und Verhandlungen, welche für ein gesellschaftliches Miteinander grundlegend sind, bewiesen. Eine Reaktion, die in der Form für uns nicht hinnehmbar ist, so sie doch als Aktion von Einzelnen eine radikale Linke als einen dogmatischen Zusammenschluss, der auf Abgrenzung und Meinungsmonopolisierung basiert, demaskieren kann. Wer hat das Recht zu entscheiden was richtig, was wahr und was falsch ist? Wir wollen dies jedenfalls nicht entscheiden, sondern lieber die konstruktive Auseinandersetzung und Diskussion suchen.

    Wir warnen davor, das Mittel der Blockade inflationär zu nutzen, beziehungsweise das Vetomittel Blockade zu nutzen, um sich einen unreflektierten Spaß zu erlauben. Dies verwässert das Konzept der Blockade. Zudem zeugt es von Unverständnis bezüglich der Aktionsform Blockade, wenn es den Beteiligten gleichzeitig nicht gelingt, die Begründung für die gewählte Aktionsform der Öffentlichkeit klar zu machen. Diesen Punkt sehen wir auch darin bekräftigt, dass einige Vertreter_innen des Anonymus-Netzwerkes, die Webseite des Blockadebündnisses gegen einen Nazigroßaufmarsch in Dresden behinderten, weil sie dieses als Verantwortliche auch für die hiesige Blockade sahen. Damit hätte eine kleine, nicht gut kommunizierte und untermauerte Aktion zu einem bundesweiten Politikum werden können. Wir möchten nicht unterstellen, dass Missverständnisse von den Blockierer_innen einkalkuliert waren und schon gar nicht von einer Form der Sabotage sprechen, wir wollen lediglich aufzeigen wozu blinder Aktionismus führen kann.

    Perspektive

    Welche Perspektiven eröffnet der Konflikt um die Nachttanzdemo. Wir denken, dass zunächst drei Dinge für diesen Diskurs erwägt werden sollten:
    Zunächst sollten wir gemeinsam über politische Interaktion und Vetopositionen diskutieren. – Welche Möglichkeiten einer politischen Interaktion verschiedener Gruppen und Spektren bestehen jenseits einer direkten absoluten Auseinandersetzung auf der Straße? Welchen Umgang miteinander wünschen wir uns – in unseren Gruppen, aber auch bei der Interaktion unterschiedlicher politischer Meinungen im linken Spektrum? Wir wünschen uns konstruktive Auseinandersetzungen auf einer inhaltlichen und weniger auf einer spektakulären, dafür aber nur symbolpolitischen, Ebene zu führen.

    Als zweites sollten wir über Blockaden gegen linke/linksradikale Demonstrationen sowie Gegenstrategien bzw. Handlungsoptionen diskutieren. Welche Handlungsoptionen bleiben, wenn eine Demonstration von Menschen aus dem „eigenen Lager“ blockiert wird? Wird eine Nazidemo blockiert, so wird eine polizeiliche Räumung der Gegendemonstranten zumindest meistens angestrebt, auch auf ausdrücklichen Wunsch der Nazis. Ein solches Vorgehen sollte auch weiterhin für „links gegen links“ Blockaden tabu bleiben – die Polizei hat in unseren Konflikten nichts zu suchen! So bleibt nur Ignorieren durch Änderung der Demoroute – oder eine inhaltliche Auseinandersetzung vor Ort, zB indem den BlockiererInnen Rederecht eingeräumt wird – wie auf dieser Nachttanzdemo geschehen.

    In einer dritten Diskussion sollten Begrifflichkeiten klarer definiert und Wunschziele mit der Aktion der Blockade und des Feldes des zivilen Ungehorsams durchdacht werden. Will man zivilen Ungehorsam in einer breiten gesellschaftlichen Schicht etablieren und linksradikale Kritiken an Gesellschaft und Staat greifbar machen – so braucht es mehr als die Idee zu einer möglichst spektakulären Aktion des zivilen Ungehorsams. Die inhaltliche Begründung des bewussten Sich-Hinwegsetzens sollte ebenso genau durchdacht sein, wie der ausgewählte Zeitpunkt. Auch stellt sich die Frage, wer Ziel“publikum“ der Aktion ist – die blockierten Demonstranten, die Presse, die Anwohner? Um zivilen Ungehorsam breiter zu etablieren, muss jede Aktion auf ihre Außenwirkung geprüft werden – nicht jede Aktion führt zu jeden Zeitpunkt zum gewünschten Bewusstseinswandel. Zivilen Ungehorsam als Spaßaktion führt sicher nicht zu einer Akzeptanz in breiteren Gesellschaftsschichten – weder für die Aktionsform selbst, noch für dahinterstehende Inhalte.

    Direkt kann es für uns in diesem Konflikt allerdings nur darum gehen, wie wir ihn in Zukunft vermeiden, wie wir gemeinsam und geschlossen Auftreten können an den Punkten, an denen wir es wollen. Wir werden diesen Diskurs um eine Perspektive der Zusammenarbeit gern mitbegleiten und hoffen auf eine rege Teilnahme aller linken und linksradikalen Spektren.

    United we stand, divided we fall

  22. favorini said

    Genau das hab ich hier erwartet.
    Wenn, nachdem der Beitrag der Blockierer verlesen wurde, seitens der Demo immer noch davon geschwafelt wird, dass uns „kapitalistische Eliten“ einen Lebensweg aufzwingen, dem es „spontan und kreativ“ zu widerstehen gelte und obendrein noch zur Bloccupy-Aktion, einer Blockade der Europäischen Zentralbank (!) in Frankfurt aufrufen, muss man sich doch ernsthaft fragen, wie degeneriert die hiesige (radikale) Linke ist.

  23. Dresden Ischen said

    Das Dokuteam der Nachttanzdemo “Für Freiräume und gegen Nazis und so und Kreativität auch!“ präsentiert die Stimmen der Dresdner Neustadt-Rückeroberung vom 19.04.2012.

    Wir wissen, dass die meisten von euch betrunken waren und das eigentlich auch nicht so gemeint haben.

  24. Wir halten es für sinnvoll und wichtig, die Debatte über Sinn und Unsinn von Nachttanzdemo, ihrer Blockade, sowie der verschiedenen vorgebrachten Kritik und den jeweils zugrunde liegenden Entwürfen öffentlich weiterzuführen. Am Donnerstag, den 24.05. um 20Uhr im AZ Conni wird dies für alle Interessierten möglich sein. Eine Podiumsdiskussion erscheint uns als ein geeignetes Mittel unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Es muss aber nicht zwingend in dieser Form stattfinden. Alle Gruppen und Einzelpersonen also, die sich gerne in einem Podium oder der Diskussion repräsentiert sehen würden und etwas zum Thema sagen wollen und können, sind herzlich eingeladen, sich für weitere Rücksprache per mail bei uns zu melden.
    Wir hoffen auf eine rege Diskussion und freuen uns über Eure Rückmeldung!

    oatdresden@fastmail.fm

  25. lissan said

    @ contrelagravitation: es ist ziemlich einfach im nachhinein auf die „postmoderne ideologie des diskurses“ zu verweisen, um ne erklärung zu liefern, warum der eigene inhalt (tja, wo ist er denn eigentlich?) vereinnahmt wurde (durch die anderen wohlgemerkt). noch viel einfach ist es, zu unterstellen, die kritik wurde nicht verstanden. beachtlich ist in beiden fällen, die einschätzung zur eigenen rolle. aber vielleicht ist das ja die fortsetzung der satire.

    @ raddix: „blockaden sind legitim“ – das ist doch quatsch. ne blockade ist ne aktionsform, die erst durch eine inhaltliche begründung legitimiert werden kann oder halt auch nicht. per se legitim ist das aber nich, genausowenig wie es per se eine meinungsäußerung ist.

    @ favorini: alter, geh mal zurück in dein genlabor und generier dir mal (!) ne richtige linke.

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